Susanne Kühn untersucht in ihrer Solopräsentation das Potential von virtueller Realität für neue Formen des bildlichen Denkens. Dabei unterzieht sie Menschen- und Pflanzendarstellungen sowie ihre biologischen Strukturen wie Zellen oder Flagellen einer Neuerfindung. Organische Formen können technoide Strukturen annehmen oder wachsen zu menschenähnlichen Wesen heran.
Virtuelle Realität (VR) sind dreidimensionale, real erscheinende Welten, die durch spezielle Software in Echtzeit erzeugt werden. Während sich Computerspiel-Ästhetiken, als Anwendungsbereich von VR, um Plausibilität und Wirklichkeitstreue bemühen, nutzt Kühn Abweichung, Inkongruenz oder Verzerrung um phantastisch wuchernde Universen zu erschaffen. Ihre Bildwelten des Natürlichen zeichnen sich durch überbordendes Wachstum aus. Eingrenzende Prinzipien wie Architektur werden zurückgedrängt. In den ersten Naturdarstellungen der westlichen Kunstgeschichte, etwa in Konrad Witz Tafelbildern, erscheinen Pflanzen und Blumen klein. Weil Natur als Gefährdung der göttlichen Ordnung galt, durfte sie nur kontrolliert und marginal dargestellt werden. Kühn, die in Zeiten des Post-Feminismus und des Post-Anthropozäns malt, hat Scheuklappen dieser Art längst abgelegt. Mit selbstbewusster Malerinnen-Lust setzt sie das Potenzial von VR für die visuelle Neuerfindung des Natürlichen in Szene. Durch die generativen Prinzipien von VR und Wachstum sind Kühns Bilderfindungen keine Grenzen gesetzt.
Im Kern ist Kühns Werk einer präzisen handwerklichen Ausführung verpflichtet, die es ihr ermöglicht, unterschiedlichste künstlerische Sprachen zu vernetzen. Erstmalig werden in dieser Ausstellung Kühns Keramiken gezeigt. Als skulpturale Gewächse erweitern sie den Bildraum ihrer jüngsten Gemälde in den Ausstellungsraum. In einer neuen Serie von Papierarbeiten skizziert sie florale Erfindungen. Darüber hinaus zeigt eine Diaprojektion mit Fotos aus Kühns Bildarchiv die Personen, die ihre Bilder der letzten 10 Jahre bevölkern. Sie imitieren Posen aus Gemälden der Kunstgeschichte und halten ephemere Momente während des Malprozesses, im Beisein unfertiger Gemälde fest.
Susanne Kühn ist eine Malerin der Gegenwart und arbeitet mit einem erweiterten Malereibegriff. 2015 wurde sie als Professorin für Malerei an die Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg berufen. Nach Jahren in New York und Boston lebt und arbeitet Susanne Kühn heute in Freiburg und Nürnberg.
Kühn zeigte unter anderem Einzelausstellungen in der Gemäldegalerie der Akademie der Bildenden Künste Wien; dem Kunstmuseum Celle; dem Museum für Neue Kunst Freiburg, im Haus der Graphischen Sammlung des Augustinermuseums Freiburg; im OMI International Arts Center, Ghent, USA; bei Beck & Eggeling International Fine Art, Düsseldorf und Wien; in der Sala Uno, Contemporary Arts Center Rom; bei Haunch of Venison London, UK; im Harvard Radcliffe Institute, Cambridge, USA; bei Robert Goff Gallery New York, USA; im Museum of Contemporary Art Denver, USA; im Kunstverein Freiburg; bei Bill Maynes Gallery, New York, USA. Kühn nahm an zahlreichen Gruppenausstellungen teil.
In her solo presentation, Susanne Kühn explores the potential of virtual reality for new forms of pictorial thinking. In doing so, she subjects representations of humans and plants and their biological structures to reinvention. Organic forms can take on technoid structures or grow into human-like beings.
Virtual reality (VR) are three-dimensional worlds generated in real time by special software that appear real. While computer game aesthetics, as a field of application of VR, strive for plausibility and fidelity to reality, Kühn uses deviation, incongruity or distortion to create fantastically proliferating universes. Her pictorial worlds of the natural are characterised by exuberant vibrant growth. Confining principles such as architecture are pushed back. In the first representations of nature in Western art history, for example in Konrad Witz’s paintings, plants and flowers appear small. Because nature was considered a threat to the divine order, only controlled and marginal depiction were allowed. Kühn, who paints in times of post-feminism and the post-anthropocene, has long since taken off blinders of this kind. With self-confident painterly relish, she stages the potential of VR for the visual reinvention of the natural. Due to the generative principles of VR and natural growth, there are no limits to Kühn’s pictorial inventions.
At its core, Kühn’s painting is committed to precise craftsmanship, which enables her to interlink a wide variety of painterly languages. For the first time, Kühn’s ceramics are shown in this exhibition. As sculptural plants they extend the pictorial space of her most recent paintings into real space. In a new series of works on paper, she sketches floral inventions. Furthermore, a slide projection with photographs from Kühn’s image archive shows the individuals who populate her paintings of the last 10 years. They imitate poses from paintings in art history and capture ephemeral moments in the process of painting, in the presence of unfinished paintings.
Susanne Kühn is a painter of the present and works with an expanded concept of painting. In 2015, she was appointed professor of painting at the Academy of Fine Arts in Nuremberg. After years in New York and Boston, Susanne Kühn now lives and works in Freiburg and Nuremberg.
Kühn has shown solo exhibitions at the Gemäldegalerie der Akademie der Bildenden Künste Vienna; the Kunstmuseum Celle; the Museum für Neue Kunst Freiburg, at the Haus der Graphischen Sammlung des Augustinermuseums, Freiburg; at the OMI International Arts Center, Ghent, USA; at Beck & Eggeling International Fine Art, Düsseldorf and Vienna; at Sala Uno, Contemporary Arts Center Rome; at Haunch of Venison London, UK; at Harvard Radcliffe Institute, Cambridge, USA; at Robert Goff Gallery New York, USA; at the Museum of Contemporary Art Denver, USA; at Kunstverein Freiburg; at Bill Maynes Gallery, New York, USA. Kühn has participated in numerous group exhibitions.
Ausstellungstexte // exhibition texts
Vortrag mit Diskussion: Kulturelle Aneignung und Aneignung von Bildern am 27.10.2022
mit einer Performance außen wummerts ganz schön von Hannah Schwab und Theresa Hartmann, Studierenden der Klasse Susanne Kühn an der Akademie der Bildenden Künste, Nürnberg.
Was kann Malerei als eines der ältesten Bildmedien angesichts der digitalen Bilderwelten leisten und aussagen? Wie kann Malerei virtuelle Realität, digitale Werkzeuge oder das Internet produktiv nutzen? Die Künstlerin Susanne Kühn, Professorin für Malerei an die Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg, führt durch ihre Ausstellung Proliferation – Vasa, Auginella and Other Sprouts und vertieft im Werkgespräch Aspekte ihres künstlerischen Schaffens.
Professor Dr. Lars Distelhorst, Professor für Sozialwissenschaften, Potsdam, und
Dr. iur. Eva-Maria Bauer, Akademische Mitarbeiterin Zentrum für Angewandte Rechtswissenschaft, Karlsruhe
Aneignung wird aktuell kontrovers diskutiert. In der Kunst gilt sie in unterschiedlicher historischer Nutzung als Phänomen, das Kunst überhaupt definiert. Aus kulturphilosophischer Perspektive wird sie als Hybridisierung oder Diebstahl für angemessen oder problematisch befunden. Auf der Grundlage ihrer kürzlich erschienenen Bücher zum Thema stellen Eva-Maria Bauer und Lars Distelhorst Aneignung von Bildern und kulturelle Aneignung aus ihrer jeweiligen Perspektive vor.
Eva-Maria Bauer beschäftigt sich mit verschiedenen Formen der Übernahme urheberrechtlich geschützter Werke. Mit der Digitalisierung und der Partizipationskultur im Internet sind die Techniken der Appropriation Art demokratisiert und als Memes und GiFs Mittel der Massenkommunikation geworden.Ausgehend von der Appropriation Art in den 1970er Jahren, die ihre Einschreibung ins Andere deklariert, plädiert Bauer für einen rechtlichen Freiraum für Aneignungshandlungen der gesellschaftlichen Realität digitaler Kommunikation angemessen Rechnung tragen.
Lars Distelhorst betrachtet Aneignung kulturphilosophisch. In seinem Verständnis prägt Aneignung unser Verständnis von Geschichte, Wissen und Kunst und damit nicht zuletzt auch unser Selbstverständnis. Entsprechend umkämpft ist im Moment die öffentliche Diskussion. Während die einen darauf beharren, kulturelle Aneignung sei eine Vorbedingung der Kulturentwicklung, verweisen andere auf die Fortschreibung kolonialer Strukturen und Rassismus. Der Vortrag wird in diese so vielschichtige Diskussion einführen, für eine Versachlichung der Diskussion plädieren und den Unterschied zwischen kultureller Entwicklung und Ausbeutung aufzeigen.
Eva-Maria Bauer (2020). Die Aneignung von Bildern. Eine urheberrechtliche Betrachtung von der Approprations Art bis hin zu Memes. Baden-Baden: Nomos.
Lars Distelhorst (2021). Kulturelle Aneignung. Hamburg: Nautilus.
Do 29.9. | 20.10.2022 | 19 Uhr
So 16.10. | 6.11.2022 | 16 Uhr
Treffpunkt: Galerie 1
Do | Fr // Thu | Fri 17-20 Uhr
Sa // Sat 14-20 Uhr
So // Sun 14-18 Uhr